Die Medienfront im Krieg - Zwischen Einheit und Pluralismus in der Ukraine
Einheitliche Informationspolitik im Ausnahmezustand
Seit dem umfassenden Einmarsch Russlands im Februar 2022 hat sich die Medienlandschaft der Ukraine dramatisch verändert. In einem beispiellosen Schritt zur Gewährleistung einer „einheitlichen Informationspolitik“ wurden die großen Fernsehsender des Landes unter Kriegsrecht zusammengelegt. Doch was bedeutet dies für Pressefreiheit und Medienpluralismus in einer jungen Demokratie, die gleichzeitig um ihre Existenz kämpft?
Der Telemarathon als Reaktion auf den Krieg
Kurz nach Kriegsbeginn, im März 2022, verabschiedete die Ukraine ein Gesetz, das die nationalen Fernsehsender praktisch zu einem „Vereinigten Telemarathon“ zusammenschloss. Diese Maßnahme, gestützt auf eine Entscheidung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, sollte unter Kriegsrecht eine konsolidierte Informationsversorgung gewährleisten. Die größten Akteure wie StarLightMedia, Media Group Ukraine und InterMedia Group bestätigten ihre „Zusammenarbeit“. Kritik blieb jedoch nicht aus: Journalisten monieren die mangelnde Ausgewogenheit des Formats, das primär die Position der Behörden darstelle und Anzeichen von Zensur aufweise. Auch die intransparente Verteilung staatlicher Gelder unter den Inhaltsproduzenten – einige mit Nähe zum Präsidialamt – sorgt für Misstrauen.
Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk unter Druck
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk UA:Suspilne mowlennja, der erst 2015 aus reformierten Staatsstrukturen hervorgegangen ist, leidet unter massiver Unterfinanzierung. Zwar wird er von der EU unterstützt, doch reichen die Mittel kaum für eigenständige Produktionen. Demgegenüber stehen erhebliche staatliche Mittel (rund 49 Millionen Euro im Jahr 2023) für den Telemarathon. Damit rückt die Gefahr einer staatlichen Einflussnahme erneut ins Zentrum – eine Entwicklung, die auch in anderen ehemaligen Ostblockstaaten zu beobachten ist.
Digitale Souveränität als Verteidigungslinie
Trotzdem zeigt die Ukraine bemerkenswerte Resilienz. Das liegt vor allem an der hohen Medienkompetenz und dem digitalen Engagement der Bevölkerung: Rund 74 % nutzen soziale Medien, allen voran YouTube (74 %), Facebook (36 %) und TikTok (36 %). Viber (98 %) und Telegram (86 %) fungieren als wichtige Informationskanäle. Der Medienforscher Marc Stegherr lobt die Fähigkeit der Ukrainer, soziale Medien gezielt zu nutzen, um sich unabhängig zu informieren. Die Offenheit vieler Medien, selbst Missstände im eigenen Militär zu thematisieren, zeugt von einem lebendigen, pluralistischen Diskurs.