Ein Hort der Pressefreiheit im ehemaligen Ostblock? Das Modell des funktionierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Während viele Länder des ehemaligen Ostblocks mit einer zunehmenden Instrumentalisierung der Medien durch Regierungen und Oligarchen zu kämpfen haben, scheint sich Tschechien als bemerkenswerte Ausnahme zu etablieren. Eine detaillierte Analyse der Mediensituation im Herzen Europas offenbart ein überraschend stabiles und pluralistisches System, das sich deutlich von seinen Nachbarn wie Ungarn oder Polen abhebt.
Starke öffentlich-rechtliche Strukturen mit hoher Reichweite
Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem in Tschechien, bestehend aus sechs TV-Kanälen und diversen Radioangeboten, genießt ein hohes Ansehen und erreicht beachtliche Marktanteile. Mit einer monatlichen Rundfunkgebühr von rund 5,50 € für TV und etwa 1,80 € für Radio erzielt das tschechische Fernsehen (Česká televize) circa 33 % und der tschechische Rundfunk (Český rozhlas) etwa 27 % Marktanteil. Dies ist ein signifikanter Unterschied zu Ländern, in denen die staatlichen Medien zunehmend zu Propagandainstrumenten umfunktioniert wurden.
Jana Bujnačková, Chefredakteurin des in Wien produzierten, tschechischsprachigenRadioprogramms “Billa Radio”, betont, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Tschechien in den letzten Jahren sehr gute Programme angeboten hat. Besonders hervorzuheben ist der 24-Stunden-Nachrichtenkanal, der sich durch hohe Professionalität auszeichnet und sehr beliebt ist. Dies legt den Schluss nahe, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Tschechien dem westlichen Vorbild nach BBC, ORF oder ARD folgt und nicht dem Trend des Staatsfunks, wie er in Ungarn oder Polen zu beobachten ist.
Medienkonsum im Alltag und die Rolle sozialer Plattformen
Die Mediennutzung in Tschechien ist intensiv: Bürgerinnen und Bürger verbringen täglich rund vier Stunden mit Fernsehen und etwas mehr als 2,5 Stunden mit sozialen Medien. Hinzu kommen Zeitungen, Radio und Online-Inhalte, was bedeutet, dass die Menschen in Tschechien mehr Zeit mit Medien verbringen, als sie täglich schlafen oder arbeiten. Die dominierenden sozialen Medien sind, ähnlich wie in vielen anderen Ländern, Facebook und YouTube, die jeweils eine Verbreitung von etwa 70 % erreichen. WhatsApp folgt mit 50 %, Instagram mit 30 % und Twitter mit rund 10 %.
Journalismus als Prestigejob und europäische Brücken
Ein weiteres positives Zeichen ist die Wahrnehmung des Journalismus als Prestigejob in Tschechien, was sich von der Slowakei unterscheidet, wo dies nicht der Fall ist. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass Tschechien, trotz der Erfahrungen anderer post-sozialistischer Staaten, eine bemerkenswerte Stabilität und Qualität in seiner Medienlandschaft aufweist.
Die Deutsche Welle, die auch in den Sprachen des Westbalkans und angrenzenden Ländern wie Rumänien, Bulgarien und Ungarn Inhalte produziert, könnte auch in Tschechien eine wichtige Rolle spielen, um grenzüberschreitende Information zu fördern, auch wenn der Fokus derzeit primär auf den Balkanstaaten liegt.