Kosovo: Zwischen Seifenopern und Clickbait – Ein zerrissenes Medienbild im Herzen des Balkans

Ein junges Land mit alter Medienmüdigkeit

Die junge Republik Kosovo, deren Unabhängigkeit von einem Großteil der UN-Staaten anerkannt wird, steht vor immensen Herausforderungen, wenn es um die Entwicklung einer pluralistischen und unabhängigen Medienlandschaft geht. Während das Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung jünger als 29 Jahre ist, eine erstaunliche Vitalität in Bereichen wie Musik und Design zeigt, offenbart der Mediensektor tiefe Gräben, die sowohl die Information der Bürger als auch die demokratische Entwicklung behindern.

Fernsehen, Vielfalt und politische Einflussnahme

Die Fernsehlandschaft ist breit gefächert, mit ursprünglich 19 Sendern im Jahr 2009, von denen zwei landesweit, elf regional und fünf lokal sendeten. Der öffentlich-rechtliche Sender RTK, mit internationaler Unterstützung der EBU und OSZE nach dem Krieg aufgebaut, galt einst als „weit voran“ im Vergleich zu seinen Nachbarn, da er nicht aus einer staatlichen Vorgängerstruktur hervorging. Doch die Idylle trügt: Die Finanzierung aus dem Staatshaushalt birgt die ständige Gefahr politischer Einflussnahme. Beobachter konstatieren „gewisse Tendenzen zu parteipolitischen Interessen“ selbst beim RTK, und die Forderung nach einer Finanzierung durch Bürgergebühren als „beste Lösung für Unabhängigkeit“ bleibt unerfüllt.

Unterhaltung statt Information

Ein auffälliges Merkmal des kosovarischen Medienkonsums ist die Neigung zur leichten Unterhaltung. Lateinamerikanische, türkische oder indische Seifenopern und Bollywood-Filme dominieren die Präferenzen breiter Bevölkerungsschichten. Auch wenn Online-Medien konsultiert werden, sitzen die Menschen abends vor dem Fernseher. Diese „Unterhaltungssucht“ trägt dazu bei, dass seriöse Informationen kaum Beachtung finden.

Digitaler Wildwuchs ohne Printbasis

Die Printmedien sind im Kosovo bereits eine ausgestorbene Spezies: Seit 2020 erscheinen keine gedruckten Tageszeitungen mehr, alle stellten ihren Betrieb während der Pandemie ein. Im Online-Bereich wimmelt es von Plattformen, die oft „tendenziös“ sind und deren Hauptziel die Generierung von Klicks statt fundierter Information zu sein scheint. Die Grenzen zwischen Meinung und Fakt verschwimmen, und das Interesse an der Quellenprüfung ist gering. Eine der wenigen Ausnahmen ist „Index online“, das als einzige relevante Online-Zeitung sowohl auf Albanisch als auch auf Serbisch verfügbar ist, während andere wichtige Portale wie „GazettaExpress.com“ und „telegrafi.com“ keine serbische Option bieten. Die Digitalisierung hat auch zu einer Eskalation in Kommentarspalten geführt, wo sich Nutzer „aufs Ärgste“ beschimpfen. Dies führte dazu, dass Online-Medien vermehrt Moderation einführen.

Zwischen Aktivismus und Journalismus

Eine zentrale Rolle im investigativen Journalismus spielt das Balkan Investigative Reporting Network (BIRN), eine in Sarajevo gegründete NGO. BIRN, das zu 80 Prozent international finanziert wird – unter anderem von der Austrian Development Agency, der EU und USAID – widmet sich Tabuthemen, Rechtsstaatlichkeit, Politik und Korruptionsaffären. Doch die Arbeit von BIRN wird von manchen als „Aktivismus“ statt als reiner Journalismus kritisiert, da die Organisation eigene Rechtsabteilungen unterhält, die rechtliche Schritte gegen korrupte Beamte einleiten können. Während BIRN sich als „Watchdog“ versteht und zur gesellschaftlichen Entwicklung beigetragen hat, wirft die Debatte die Frage auf, ob eine solche Rolle mit dem westeuropäischen Ideal eines von parteipolitischen Interessen unabhängigen Journalismus vereinbar ist.

Medienkompetenz als Luxusgut

Die Fähigkeit, Informationen kritisch zu hinterfragen und sichere Quellen zu erkennen, ist im Kosovo Mangelware. Dies ist nicht zuletzt auf ein fehlendes Bewusstsein für Medienkompetenz in Bildungseinrichtungen zurückzuführen. Viele Menschen leben am Existenzminimum, wo der Kampf ums Überleben die primäre Sorge ist, und Themen wie Medienkompetenz oder Umweltschutz zu „absoluten Fremdwörtern“ werden. Die Hoffnung, dass politische Veränderungen oder die Rückkehr von im Ausland lebenden Kosovaren, die oft in Deutschland oder der Schweiz gut informiert sind, eine positive Wende bringen könnten, hat sich bisher nicht erfüllt.

Fazit

Die Medienlandschaft im Kosovo spiegelt eine Gesellschaft wider, die zwischen traditionellen Werten und westlichen Einflüssen changiert. Der Mangel an unabhängiger Berichterstattung und kritischem Denkvermögen in breiten Bevölkerungsteilen bleibt eine ernste Hürde auf dem Weg zu einer voll entwickelten Demokratie.

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