Tschechiens Medienlandschaft im Brennpunkt - Das Phänomen Seznam.cz und der Einfluss von Oligarchen

Abseits des robusten öffentlich-rechtlichen Rundfunks prägen in Tschechien sowohl mächtige Privatmedien als auch ein einzigartiges digitales Phänomen die Informationslandschaft. Die Konzentration von Medienbesitz in den Händen weniger reicher Personen, wie dem ehemaligen Ministerpräsidenten Andrej Babiš, wirft Fragen nach der Unabhängigkeit auf, doch eine überraschende lokale Suchmaschine behauptet sich erfolgreich gegen globale Giganten.

Oligarchischer Einfluss, aber kein Meinungsmonopol

Der ehemalige Ministerpräsident Andrej Babiš ist über seine Mediengesellschaft MAFRA ein dominierender Akteur. MAFRA besitzt sämtliche Medientypen – Print, Online, TV und Radio. Die meistgelesene Tageszeitung “Mladá fronta Dnes”, Wochenzeitungen, zahlreiche Onlineportale und das erfolgreichste Privatradio des Landes, Radio Impuls, gehören zu seinem Imperium. Mit Printmedien erreicht MAFRA regelmäßig 3,4 Millionen Leser, während die Webprojekte wöchentlich von 7,4 Millionen Nutzern besucht werden.

Jana Bujnačková äußert als Journalistin die allgemeine Einschätzung, dass Medien, die einer Einzelperson gehören, niemals vollständig unabhängig sein können. Dennoch wird das Entstehen eines Meinungsmonopols, wie es Viktor Orbán in Ungarn durchsetzen konnte, in Tschechien als unwahrscheinlich angesehen. Der milliardenschwere Dominoeffekt, den Babiš’ Medieneinkauf 2013 auslöste, führte dazu, dass der Medienbesitz in Tschechien auf mehrere der reichsten Personen des Landes verteilt ist, was eine vollständige Kontrolle durch eine einzelne politische Kraft erschwert und die Existenz mehrerer unabhängiger Medien ermöglicht.

Seznam.cz als nationale Alternative zu Google

Ein faszinierendes Alleinstellungsmerkmal der tschechischen digitalen Landschaft ist das Internetportal Seznam.cz. Es ist nicht nur das erfolgreichste Nachrichtenportal des Landes mit “Seznam Zprávy”, sondern auch eine Suchmaschine mit Sitz in Prag, die sich erfolgreich gegen amerikanische Anbieter wie Google behauptet. Tschechien ist damit eines der wenigen Länder in der westlichen Welt, das über eine lokale und auf die Landessprache optimierte Suchmaschine, Kartendienste und soziale Netzwerke als relevante Marktteilnehmer verfügt.

Der Erfolg von Seznam.cz wird auf seine lange Tradition – gegründet zwei Jahre vor Google – das Vertrauen der Nutzer und den konsequenten Aufbau einer eigenen Marke zurückgeführt. Das Unternehmen hat sich von einer reinen Suchmaschine zu einem Medienunternehmen entwickelt, das über 10.000 verschiedene Dienste und hochwertige Marken betreibt, darunter seit vier Jahren auch einen kommerziellen Fernsehsender, der Dokumentationen, Serien, Filme und tägliche Nachrichten ausstrahlt.

Internationale Verbindungen und regionale Unterschiede

Trotz der Nähe zu Österreich, das die Tschechen gerne für Natur, Geschichte und ihre Hauptstadt Wien besuchen, spielen österreichische Medien in Tschechien kaum eine Rolle. Lediglich der ORF ist den meisten bekannt. Radio Prag International bietet jedoch, neben dem tschechischsprachigen Angebot, auch Programme in Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch und Russisch an.

Die Deutsche Welle, die Inhalte in über 40 Sprachen weltweit sendet, darunter auch Sprachen, die an den Westbalkan grenzen (Albanisch, Bosnisch-Serbisch, Kroatisch, Mazedonisch, Griechisch, Bulgarisch, Rumänisch und Ungarisch), trägt ebenfalls zur medialen Vielfalt in der Region bei, auch wenn ausgewählte Beiträge nur gelegentlich auf Deutsch oder Englisch produziert werden.

Dynamik trotz Bedenken

Der Einfluss deutscher Verlage in Polen und der Tschechischen Republik wurde in der Vergangenheit kritisch gesehen, da tschechische Oligarchen Medien aufgekauft haben, was die journalistische Unabhängigkeit beeinträchtigte. Insgesamt zeigt sich Tschechien dennoch als ein Land mit einer dynamischen Medienlandschaft, die sowohl traditionelle Stärken im öffentlich-rechtlichen Bereich als auch innovative lokale digitale Akteure aufweist, die sich erfolgreich gegen globale Konkurrenz behaupten können.

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