Ungarn unter dem Fidesz-Stiefel: Wie eine Regierung die Medienlandschaft gleichschaltet
Der Status der Pressefreiheit in Ungarn ist, um es schonungslos auszudrücken, alarmierend. Während das Projekt „Continent“ die Mediensituation in europäischen Ländern mit Österreich vergleicht, wird schnell klar: Ungarn liegt in den internationalen Ranglisten der Pressefreiheit weit abgeschlagen. Was sich in Österreich als „Message Control“ in Form von Charmeoffensiven oder subtiler Einflussnahme äußern mag, ist in Ungarn eine „ganz harte Propaganda-Linie“. Hier werden Fragen von Journalist:innenschlicht ignoriert; stattdessen geht es nur noch darum, Regierungspunkte zu platzieren. Das Ergebnis ist eine nahezu parallele Medienwelt, die kaum noch Berührungspunkte mit jenen regulären Medien aufweist, wie sie in anderen europäischen Ländern existieren.
Der systematische Würgegriff der Macht
Das Fundament dieser beunruhigenden Entwicklung ist die nahezu vollständige Kontrolle der Medien durch die regierende Fidesz-Partei und ihr nahestehende Oligarchen. Die Anzahl der Zeitungsverlage sowie der Radio- und Fernsehsender ist drastisch reduziert worden. Dabei spielten auch deutsche und österreichische Unternehmen eine fragwürdige Rolle, indem sie ihre Zeitungen und Online-Portale an regierungsnahe Oligarchen veräußerten – oft im Gegenzug für Steuersenkungen oder andere lukrative Geschäfte. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Verkauf des größten Nachrichtenportals Origo durch die Deutsche Telekom im Jahr 2005.
Ein entscheidender Schlag gegen die Medienpluralität war die Gründung der Zentralen Europäischen Presse- und Medien Stiftung (KESMA) im Jahr 2018. Mit einem Federstrich wurden 476 Medientitel unter die Kontrolle dieser regierungstreuen Stiftung gebracht. Ministerpräsident Orbán selbst entband die KESMA von der kartellrechtlichen Überprüfung, indem er sie als „von volkswirtschaftlich strategischer Bedeutung“ einstufte. Dieses Vorgehen verstößt zwar gegen ungarisches Mediengesetz und Wettbewerbsrecht, wurde aber durch die Parlamentsmehrheit der Regierung legalisiert. Insgesamt kontrolliert die Regierung direkt oder indirekt schätzungsweise 80 Prozent der Medien.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Staatsfunk
Der sogenannte öffentlich-rechtliche Rundfunk in Ungarn ist im Grunde zu einem reinen Staatsfunk verkommen; er existiert im eigentlichen Sinne nicht mehr. Die ungarische Nachrichtenagentur MTI ist Teil dieses Apparats und berichtet konsequent nicht über oppositionelle Ereignisse. So wurden die landesweiten Vorwahlen der Opposition, die großes öffentliches Interesse weckten, von der staatlichen Nachrichtenagentur mit eisernem Schweigen übergangen. Die ausgestrahlten Inhalte sind laut Kritiker:innen reine Propaganda, die Westeuropa als am Abgrund stehend darstellt, mit Falschmeldungen über angeblichen Bürgerkrieg in Deutschland oder Armut in Schweden, oft basierend auf inszenierten Interviews mit regierungsnahen Funktionären, die als „Normalbürger“ ausgegeben werden.
Ein zentrales Instrument der Einflussnahme ist die Vergabe von Inseraten aus öffentlichen Mitteln. Jährlich werden über 300 Millionen Euro an Zeitungen vergeben – selbstverständlich nur an jene, die sich in ihrer Berichterstattung gefügig zeigen. Diese „Inseratenkorruption“ ist ein „riesiges Problem mit politischer Einflussnahme“ und führt dazu, dass finanziell ohnehin angeschlagene Medien in eine Abhängigkeit zur öffentlichen Hand geraten.
Die schleichende Aushöhlung der Demokratie
Juristische Expert:innen weisen darauf hin, dass die tiefgreifenden Veränderungen in der ungarischen Medienlandschaft, obwohl sie eine Abschwächung der Demokratie darstellen, „rechtlich korrekt“ und mit „demokratischen Mitteln“ umgesetzt wurden. Orbán nutzte die Verfassungsmehrheit, die er 2010 aufgrund eines problematischen Wahlsystems erringen konnte, um Gesetze anzupassen und Institutionen wie den Verfassungsgerichtshof in ihrer Kontrollfunktion auszuhöhlen. Es gibt zwar einen Verfassungsgerichtshof, dieser hat aber keine tatsächliche Kontrollmacht mehr.
Die ungarische Gesellschaft hat diese weitreichenden Änderungen „ziemlich resigniert hingenommen“. Zwar gab es immer wieder Demonstrationen für Pressefreiheit, sogar eine Bewegung namens „Eine Million Menschen für die Pressefreiheit“, doch ein breiter, dauerhafter Aufschrei, wie man ihn in westlichen Demokratien erwarten würde, blieb aus. Tragischerweise zeigt der Fall Ungarn, dass Gesetze lediglich „Formen sind, die mit unterschiedlichen Inhalten ausgefüllt werden können“, und dass eine starke gesellschaftliche Basis für demokratische Werte unerlässlich ist, damit Institutionen und Normen tatsächlich funktionieren. Das Ergebnis ist eine „Urbanisierung“, bei der sich die regierungskritische Bevölkerung in Städten konzentriert, während die Menschen auf dem Land der Regierungspropaganda weitgehend ausgeliefert sind. Auch gegenüber ausländischen Journalist:innen besteht große Skepsis seitens der Regierungspartei, was es schwierig macht, Interviewpartner aus Fidesz-nahen Kreisen zu finden oder Interviews ohne komplizierte Autorisierungsprozesse zu führen, bei denen versucht wird, Einfluss auf die Analyse zu nehmen. Die Regierung selbst vertritt die Ansicht, dass es keine Objektivität gebe und alle Journalist:innen „politische Kämpfer“ seien.