Ungarns unabhängige Stimmen: Ein mutiger Kampf gegen die Propagandamaschine

Während die Regierung in Ungarn die Medienlandschaft mit eiserner Hand kontrolliert, existiert im Schatten dieser Dominanz eine kleine, aber widerstandsfähige unabhängige Medienszene. Diese kritischen Stimmen kämpfen täglich um ihr Überleben und um das Grundrecht auf freie Berichterstattung, oft gestützt auf die finanzielle Unterstützung ihrer Leserschaft und Hörer:innen.

Inseln der Unabhängigkeit: Clubradio und digitale Pioniere

Ein leuchtendes Beispiel in dieser erstickenden Atmosphäre ist das Clubradio. Nachdem es im Februar seine Frequenz verloren hatte, sendet es nun ausschließlich über das Internet. Es versteht sich selbst als die einzige wahrhaft öffentlich-rechtliche Instanz des Landes – ein Sender, der sich mit gesellschaftlich relevanten Themen befasst, wie sie ein echter öffentlich-rechtlicher Rundfunk behandeln sollte – und das ganz ohne staatliche Unterstützung. Trotz der Umstellung auf eine rein digitale Verbreitung konnte das Clubradio seine Hörerzahlen halten und erreicht nun sogar ein jüngeres Publikum. Auch wenn die Reichweite bei in Österreich lebenden Ungar:innen gering ist, stellt der Sender eine wichtige Informationsquelle für die ungarische Diaspora dar.

Neben dem Clubradio gibt es weitere bedeutende Online-Tageszeitungen, die oppositionell ausgerichtet sind und „normale journalistische Arbeit“ leisten. Diese Medien haben einen großen Einfluss auf die ungarische Gesellschaft – selbst auf Fidesz-Wähler:innen, die erkennen, dass sie von staatlich kontrollierten Medien keine objektiven Informationen erhalten. Beispiele wie Index.hu, das trotz einer Übernahme durch regierungsnahe Kräfte nicht zu einem reinen Propaganda-Medium wurde, und Telex.hu, gegründet von ehemaligen Index-Journalist:innen, demonstrieren, dass unabhängiger Journalismus auch unter widrigsten Umständen überraschend erfolgreich sein kann. Allerdings bleibt die Finanzierung eine ungelöste Herausforderung, und eine langfristige Nachhaltigkeit ist schwer zu erreichen, da diese Projekte oft auf kurzfristiger Basis operieren.

Die Herausforderungen des Widerstands und internationale Perspektiven

Der Alltag für unabhängige Journalist:innen in Ungarn ist geprägt von enormen Hürden. Die ungarische Regierung erschwert ausländischen Journalist:innen den Zugang – Interviewpartner:innen aus regierungsnahen Kreisen sind kaum zu bekommen, und langwierige, bürokratische Autorisierungsprozesse werden eingesetzt, um Einfluss auf Inhalte zu nehmen. Darüber hinaus versucht die Regierung, das Vertrauen in Medien grundsätzlich zu untergraben, indem sie alle Journalist:innen pauschal als „politische Kämpfer“ diffamiert und die Existenz objektiver Berichterstattung grundsätzlich bestreitet.

Trotz dieser schwierigen Bedingungen gibt es internationale Unterstützung – wenngleich deren Einfluss begrenzt bleibt. Die Deutsche Welle sendet Programme auf Ungarisch, ebenso Radio Free Europe, das eine englischsprachige Website betreibt. Diese Plattformen erreichen jedoch vor allem internationale Zielgruppen. Besonders bedeutsam sind daher die ungarischsprachigen Redaktionen des slowakischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens (Radio Patria) und die ungarischen Sektionen der rumänischen öffentlich-rechtlichen Medien. Sie dienen als wichtige Rückzugsorte für regierungskritische ungarische Journalist:innen – insbesondere in Regionen wie Siebenbürgen, wo die ungarische Regierung zunehmend versucht, ungarischsprachige Medien unter ihre Kontrolle zu bringen.

Die Rolle der EU und der Ruf nach struktureller Förderung

Die Rolle der Europäischen Union in dieser Entwicklung wird zunehmend kritisch gesehen. Expert:innen werfen der EU vor, sich zu stark auf die nationale Ebene zu konzentrieren und unabhängige Medien sowie lokale Akteure zu wenig direkt zu fördern. Angesichts der Entwicklungen in Ungarn und auch in Rumänien, wo Medienlandschaften stark instrumentalisiert wurden, wird eine Neubewertung der EU-Medienstrategie gefordert. Besonders zu Beginn der Beitrittsverhandlungen habe die Union es versäumt, der Entwicklung unabhängiger öffentlich-rechtlicher Medien ausreichend Priorität einzuräumen.

Die Vision einer gesamteuropäischen Medienplattform – ähnlich ARTE, aber noch breiter aufgestellt – gilt als zukunftsweisend. Eine solche Plattform könnte Informationen in mehreren Sprachen und aus verschiedenen Perspektiven anbieten und damit eine echte europäische Öffentlichkeit fördern. Technisch wäre dies heute bereits möglich, etwa durch automatische Übersetzung. Doch es fehlt an politischem Willen und institutioneller Initiative, um ein solches Projekt umzusetzen und langfristig zu finanzieren.

Neue Realitäten: Der digitale Raum und die Jugend

Die Mediennutzung der unter 30-Jährigen in Ungarn zeigt deutlich die Verschiebung in den digitalen Raum. Fast 100 % bewegen sich auf TikTok, 65 % auf Instagram, 43 % auf Facebook und 40 % auf YouTube. Diese Plattformen eröffnen neue Möglichkeiten, relevante Inhalte zu platzieren, stoßen aber ebenfalls auf regulatorische Herausforderungen und politische Einflussnahme. Zugleich bieten sie Chancen für innovative Formen des Journalismus, der sich direkter an jüngere Zielgruppen wendet und der staatlichen Kontrolle schwerer unterliegt.

Fazit

Die Lage der Medien in Ungarn ist und bleibt eine ernste Herausforderung für die demokratische Öffentlichkeit Europas. Doch die Beharrlichkeit unabhängiger Journalist:innenund Medienhäuser, die trotz massivem Druck, fehlender Finanzierung und politischer Repression weiterarbeiten, zeugt von einem unerschütterlichen Engagement für die Wahrheit. Der Kampf um unabhängige Information in Ungarn ist nicht nur ein nationales Thema, sondern ein europäisches: ein Prüfstein für die Resilienz demokratischer Prinzipien in Zeiten des Populismus.

Er zeigt, wie wichtig es ist, dass Europa eine aktive Medienpolitik verfolgt, die nicht nur reguliert, sondern gezielt Strukturen stärkt, die kritische Öffentlichkeit ermöglichen. Es ist ein Ausdauerlauf – kein Sprint. Und solange Menschen zuhören, lesen und sich interessieren, bleibt Hoffnung bestehen.

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