Die Zerstörung der Pressefreiheit: Wie Erdogans Regime die Medien gleichschaltet

In einer alarmierenden Entwicklung, die weit über nationale Grenzen hinaus Besorgnis erregt, hat sich die Türkei unter Präsident Erdoğan zu einem Brennpunkt der Repression gegen Pressefreiheit entwickelt. Der jüngste Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen platziert das Land auf Platz 155 von 180 – ein Zeugnis dafür, wie die einst vielfältige Medienlandschaft fast vollständig unter die Kontrolle der Regierung und ihr nahestehender Geschäftsleute geraten ist.

Historische Kontinuität der Unterdrückung

Die türkische Mediengeschichte war stets geprägt von Druck auf Journalistinnen und Journalisten, wie die Journalistin und Autorin Duygu Özkan erläutert. Seit der Republikgründung vor 100 Jahren sind Medienschaffende zwischen Machtinteressen von Politik, Militär und Wirtschaft gefangen. Besonders tragisch zeigten dies die Morde an den investigativen Journalisten Uğur Mumcu in den frühen 1990er-Jahren und Hrant Dink im Jahr 2007, der von nationalistischen Medien diffamiert und letztlich ermordet wurde. Auch wenn solche Morde nicht alltäglich sind, beschreibt Birol Kilic, ein in Österreich tätiger türkischer Medienverleger, eine dramatische Verschlechterung der Situation im Jahr 2023.

Methoden der Gleichschaltung und Repression

Die Regierung Erdogan nutzt ein breites Arsenal an Instrumenten, um die Medien zum Schweigen zu bringen. Klagen und wirtschaftlicher Druck durch aggressive Anzeigenpolitik setzen Medien finanziell stark unter Druck, um kritische Berichterstattung zu verhindern. Besonders betroffen sind pro-kurdische Medien wie Özgür Gündem, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon vor dem Putschversuch 2016 regelmäßig inhaftiert wurden. Nach dem Putschversuch wurde die Redaktion gewaltsam geschlossen. Auch die „Mesopotamische Agentur“ arbeitet heute als Nachfolgerin einer früheren Nachrichtenagentur unter großem staatlichem Druck weiter.

Illusion der Vielfalt und Propaganda

Sogar kurdischsprachige staatliche Sender wie TRT Kurdî sind keine unabhängigen Stimmen, sondern verbreiten lediglich regierungsfreundliche Narrative. CNN Türk, ursprünglich Teil des globalen CNN-Netzwerks, steht heute unter Kontrolle einer regierungsnahen Holding und verbreitet kontinuierlich regierungsfreundliche Inhalte. Gleiches gilt für die Tageszeitung Sabah, die im Besitz der Çalık Holding steht und als Sprachrohr Erdogans gilt. Kilic hebt besonders hervor, dass die Justiz in der Türkei inzwischen völlig regierungstreu agiert und keine unabhängige Instanz mehr darstellt. Zudem kritisiert er, dass die Regierung die Religion gezielt instrumentalisiert, um die Bevölkerung gegeneinander aufzuhetzen.

Inseln des Widerstands

Trotz des erdrückenden Drucks existieren weiterhin kleine Oasen der Meinungsfreiheit. Die Zeitung BirGün bleibt ein Beispiel für standhaften, regierungskritischen Journalismus. Türkischsprachige Ausgaben ausländischer Medien sind ebenfalls wichtig, wenn auch ihre Reichweite begrenzt bleibt. Duygu Özkan berichtet von eigenen Recherchen in der Türkei, die ihr als österreichische Journalistin möglich sind, während türkische Kolleginnen und Kollegen, insbesondere mit kurdischem Hintergrund, deutlich gefährdeter sind.

Soziale Medien: Digitale Lebensadern in repressiven Zeiten

Digitale Plattformen wie WhatsApp, Instagram, Facebook, Twitter und Telegram bieten in der Türkei wichtige Räume für freien Informationsaustausch, die in traditionellen Medien kaum noch existieren. Trotz regelmäßiger Blockaden und Zensurmaßnahmen der Regierung, insbesondere bei YouTube, bleiben soziale Netzwerke zentrale Orte der Debatte und des Widerstands. Gerade während der Gezi-Proteste zeigten sie ihre immense Bedeutung, wodurch sie bis heute Regierung und AKP regelmäßig unter Druck setzen.

Demokratie als Geisel politischer Machtspiele

Die ungelöste „Kurdenfrage“ bleibt ein zentrales Hindernis für eine stabile türkische Demokratie. Solange demokratisch gewählte Parteien wie die HDP marginalisiert und ihre Vertreterinnen und Vertreter inhaftiert werden, bleibt die Demokratie in der Türkei unvollständig. Özkan betont, dass Demokratie nicht nur Mehrheitsentscheidungen umfasst, sondern auch die angstfreie Meinungsäußerung jeder Minderheit ermöglichen muss. Genau diese Freiheit wird jedoch systematisch von Erdogans Regime unterdrückt.

Deutschland und Europa beobachten aufmerksam die Entwicklungen in der Türkei, während das Land vor der großen Herausforderung steht, seine grundlegenden Werte von Meinungs- und Pressefreiheit zurückzuerobern.

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Zwischen Tradition und digitaler Hoffnung – Eine Reise durch Rumäniens vielfältige Medienwelt

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